Die Forschungsgruppen von Prof. Christof Niehrs (Institut für Molekulare Biologie, IMB, Mainz, Deutschland) und Prof. Steve Horvath (University of California Los Angeles, USA) haben eine auf DNA-Methylierung basierende "Uhr" entwickelt, die zur Messung des Alterungsprozesses bei Fröschen verwendet werden kann – einem wichtigen Modellorganismus, der zur Untersuchung vieler grundlegender Aspekte der Biologie eingesetzt wird. Ihre Ergebnisse ergaben, dass trotz der vielen biologischen Unterschiede zwischen Menschen und Fröschen, beide erstaunlich ähnliche Veränderungen der DNA-Methylierung mit zunehmendem Alter aufweisen. Diese "Uhr" könnten den Forscher:innen helfen, die Ursachen des Alterns besser zu verstehen und neue Behandlungen bei altersbedingte Krankheiten zu entwickeln.
Alterung tritt bei fast allen Organismen auf – von Menschen und Mäusen bis hin zu Fröschen und Insekten. Um besser zu verstehen, warum wir altern und um neue Behandlungen gegen alternsbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zu testen, untersuchen Wissenschaftler oft Tiere wie Mäuse, Frösche und Würmer. Diese Tiere altern viel schneller als der Mensch, so dass Studien in wenigen Monaten oder Jahren statt in Jahrzehnten abgeschlossen werden können. Aber ist der Alterungsprozess beim Menschen wirklich derselbe wie das Altern bei einem Frosch?
Eine Möglichkeit, um festzustellen, ob das Altern bei verschiedenen Arten ähnlich verläuft, besteht darin, zu prüfen, ob während des Alterns dieselben molekularen Veränderungen auftreten. Bei Säugetieren tritt eine der wichtigsten alternsbedingten Veränderungen in der Methylierung der DNA auf. Die DNA-Methylierung bezieht sich auf kleine chemische Gruppen (Methylgruppen), die enzymatisch an die Basen der DNA angehängt werden. Diese Methylgruppen wirken wie Schalter, die Gene an- oder ausschalten können. Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass sich das Ein- und Ausschaltmuster dieser "Methylierungsschalter" auf der DNA in vorhersehbarer Weise ändert, wenn wir wachsen und altern. Durch die Analyse der An- und Ausschaltmuster dieser Methylierungsschalter konnten Wissenschaftler:innen das Alter einer Person mit hoher Genauigkeit bestimmen. Dieses Muster von Veränderungen der DNA-Methylierung wird als "epigenetische Uhr" bezeichnet.
Aber kommen diese DNA-Methylierungsveränderungen auch bei anderen Arten vor oder sind sie nur auf Säugetiere beschränkt? Um dies näher zu untersuchen, analysierten Prof. Niehrs und seine Kolleg:innen die DNA-Methylierungsmuster beim Krallenfrosch – einem wichtigen Modellorganismus, der weltweit zur Untersuchung grundlegender Aspekte der Biologie verwendet wird – in einem Alter von zwei Tagen bis 19 Jahren. Die Forscher:innen entdeckten, dass sich die DNA-Methylierung bei Fröschen in vorhersehbarer Weise beim Altern verändert, genau wie beim Menschen. Mit anderen Worten: Frösche haben auch eine "epigenetische Uhr". Interessanterweise überschneiden sich viele dieser alternsbedingten DNA-Methylierungsveränderungen mit denen, die auch beim Menschen auftreten. Dies deutet darauf hin, dass trotz der vielen biologischen Unterschiede zwischen Fröschen und Menschen die zugrundeliegenden Methylierungsveränderungen auf der DNA, die während des Alterns stattfinden, bei beiden Arten bemerkenswert ähnlich sind.
Aufgrund dieser Ähnlichkeit konnten die Forscher:innen die erste epigenetische Uhr konstruieren, die das Alter bei Fröschen erfasst, sowie eine kombinierte Uhr, die das Alter nicht nur bei Fröschen sondern auch bei Menschen misst. Prof. Niehrs sagt: "Die Tatsache, dass alternsbedingte epigenetische Veränderungen bei Fröschen und Menschen so ähnlich sind, ist von großer Bedeutung, da dies darauf hindeutet, dass die grundlegenden molekularen Prozesse, die dem Altern zugrunde liegen, die gleichen sind. Das bedeutet, dass Behandlungen, die sich bei Fröschen als wirksam gegen alternsbedingte Krankheiten erwiesen haben, auch beim Menschen wirksam sein könnten". Die neue epigenetische Uhr für Frösche wird es Forscher:innen, die den Alterungsprozess in diesem Organismus untersuchen, auch ermöglichen, genauer zu testen, ob Behandlungen gegen das Altern wirksam sind, um diesen Vorgang zu verlangsamen oder alternsbedingte Krankheiten zu verhindern. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Therapien, die Menschen helfen können, länger zu leben und bis ins hohe Alter gesund zu bleiben.
Weitere Details
Weitere Informationen finden Sie unter https://link.springer.com/article/10.1007/s11357-023-00840-3
Christof Niehrs ist Scientific- und Gründungsdirektor am Institut für Molekulare Biologie (IMB). Weitere Informationen zur Forschung der Niehrs-Gruppe finden Sie unter www.imb.de/niehrs.
Über das Institut für Molekular Biologie gGmbH
Das Institut für Molekular Biologie gGmbH (IMB) ist ein Exzellenzzentrum der Lebenswissenschaften, das 2011 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eröffnet wurde. Die Forschung am IMB konzentriert sich auf folgende aktuelle Gebiete: Epigenetik, Genomstabilität, Alternsforschung und RNA Biologie. Das Institut ist ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen einer privaten Stiftung und öffentlichen Einrichtungen: Die Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) hat sich verpflichtet, die Grundfinanzierung des IMB von 2009 bis 2027 mit insgesamt 154 Millionen Euro zu fördern. Das moderne Forschungsgebäude wurde mit 50 Millionen Euro durch das Land Rheinland-Pfalz finanziert. Von Herbst 2020 bis Mitte 2027 stellt das Land 52 Millionen Euro zur Grundfinanzierung des IMB bereit. Weitere Informationen zu IMB finden Sie unter www.imb.de.
Über das Centre for Healthy Ageing
Das „Centre for Healthy Ageing“ (CHA) ist ein virtuelles Forschungszentrum, das 2021 ins Leben gerufen wurde und Wissenschaftler:innen aus ganz Mainz zusammenbringt, die sich in der Grundlagen- und klinischen Forschung mit dem Altern und altersbedingten Krankheiten beschäftigen. Diese Erkenntnisse sollen genutzt werden, um gesundes Altern zu fördern und Behandlungen zu finden, die altersbedingte Krankheiten verhindern oder heilen könnten. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte: www.cha-mainz.de.
Boehringer Ingelheim Stiftung
Die Boehringer Ingelheim Stiftung ist eine rechtlich selbstständige, gemeinnützige Stiftung und fördert die medizinische, biologische, chemische und pharmazeutische Wissenschaft. Errichtet wurde sie 1977 von Hubertus Liebrecht, einem Mitglied der Gesellschafterfamilie des Unternehmens Boehringer Ingelheim. Mit ihren Förderprogrammen Plus 3, Exploration Grants und Rise up! unterstützt sie exzellente Forschende in entscheidenden Karrierephasen. Außerdem dotiert sie den internationalen Heinrich-Wieland-Preis sowie Preise für Nachwuchswissenschaftler und fördert institutionelle Projekte wie beispielsweise das Institut für Molekulare Biologie (IMB) und das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. www.boehringer-ingelheim-stiftung.de
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